Jäger des verlorenen Schatzes: Fotograf Günter Thau hat einen Robur in Diskomobil-Aufmachung in Saalfeld "erwischt". Wurde das echte Auto doch nicht verschrottet? Wir bleiben dran.


Festung, Eroberer, Herr der sieben Meere. Das ist Robur. Oder auch ganz einfach ein „Ello“. So wurde er oft liebevoll von seinen Fahrern genannt. Die Rede ist von dem Klein-LKW, der von seinen Schöpfern nach dem lateinischen Begriff für „Stärke“ oder „Widerstandskraft“ auf eben diesen Namen getauft wurde. Eine Sonderausführung als „rund-Diskomobil“ - im Einsatz in der wilden Ukraine an der Trasse - gab es auch noch. Und die soll jetzt in Thüringen wieder aufgetaucht sein!? Unser Autor Hajo Obuchoff bleibt dran. War er doch der Chef vonnt Janze! Die Geschichte und die Geschichten dazu hat er jedenfalls schonmal unterhaltsam zusammengefasst.  

Selten wohl kann jemand von sich behaupten, bei der Vorstellung an seinem neuen Arbeitsplatz von etwa 25 000 Zuschauern beobachtet zu werden. Mir ist dies am 17. Mai 1975 so ergangen. Nein, ich bin kein Rockstar oder Fußballprofi. Mein künftiger Arbeitsplatz war „nur“ ein DDR-Lkw mit der Typenbezeichnung Robur LO 2002A mit Spezialkofferaufbau.
Das kunterbunte Teil nannte sich Diskomobil, sollte in der Sowjetunion an der Drushba-Trasse, dem Bau der ersten großen internationalen Ferngasleitung zwischen Ural und Westeuropa, zum Einsatz kommen und die aus der DDR entsandten vorwiegend jungen Bauarbeiter in der knappen Freizeit unterhalten.
Der Wagen war durch eine Aktion der TV-Sendung „rund“ des DDR-Jugendfernsehens entstanden. Grundlage war ein Rundfunk-Kinowagen, den die DDR-Armee NVA spendierte. Plattenspieler, Bandmaschinen, Verstärkeranlage, Lautsprecher und eine Vielzahl an Schallplatten spendeten einzelne Zuschauer, aber vor allem Jugendbrigaden aus unterschiedlichen Betrieben.
Stilecht geschah die Schlüsselübergabe beim Deutsch-Sowjetischen Jugendfestival auf dem Marktplatz von Halle an der Saale während der Livesendung von „rund“. Wegen der Auftritte vieler im Osten bekannter Rockgruppen waren Massen an jungen Zuschauern gekommen, die auch die Dächer der umstehenden Häuser besetzt hatten.
Einige Wochen später begann die etwa 1500 Kilometer lange Reise in die Ukraine. Für drei Jahre war das Diskomobil für mich und meinen Kollegen Norbert Bau – übrigens ein exzellenter Tontechniker und Moderator – der Arbeitsplatz. Die Belastung für das Fahrzeug immens: 30 Grad Frost oder 35 Grad Hitze, Schlamm und Schnee sowie vereiste ukrainische Straßen steckte der Robur meist ohne zu murren weg.
Voll beladen hatte der Wagen ein Gewicht von etwa sechs Tonnen. Trotzdem meisterte er jeden Steilhang im hügeligen Gelände zwischen Krementschuk und Winniza. Und fuhr er sich irgendwo vor Ort auf Baustellen einmal fest, gab es immer Hilfe von schweren Baumaschinen.

Vor allem im ersten Jahr, als die Wohnlager der Bauleute noch provisorisch waren oder erst gebaut werden mussten, waren wir mit dem Diskomobil ständig zwischen den Standorten unterwegs. Meist waren es Tagestouren von 300 bis 400 Kilometern. Bei der bescheidenen Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h eine Sache von vielen Stunden. Wobei hinzukam, dass die Landstraßen in der Ukraine recht löchrig waren. Und nicht selten wurden die Umleitungen an Baustellen einfach gleich über das Feld nebenan geführt. Der Allradantrieb war bei nassem Grund dann schon einmal von Vorteil. Für mich, der zwar einen Führerschein, aber wenig Fahrpraxis hatte – in der DDR musste man ja ewig auf ein Auto warten – waren diese Jahre die eigentliche Fahrschule.


Der ist auf alle Fälle echt - damals im Einsatz in der Ukraine.
Foto: Oldtimerreporter.Obuchoff


Auf der Straßenlandschaft in der damaligen Sowjetukraine fiel das Diskomobil natürlich auf wie ein Papagei unter Krähen. Die meisten sowjetischen Lastwagen trugen damals militärisches grün. Bei einer Rast am Wegesrand kamen dann schon die heimischen Kraftfahrer neugierig heran, wunderten sich über den zierlichen Vierzylindermotor, manche krochen auch fast unter den Wagen, um ihn zu inspizieren. Hilfsbereitschaft wurde großgeschrieben. Als wir mal nach einem Radwechsel merkten, dass viel zu wenig Luft im Reifen war, kam sofort einer und pumpte es mit dem Kompressor seines Wagens auf. Und auch wir halfen schon mal mit einem Kanister Benzin aus. Damals passierte es nämlich durchaus, dass eine Tankstelle leergepumpt war und die nächste stand erst 150 Kilometer weiter. Dafür gab es dann eine Seite Speck oder eine Flasche Selbstgebrannten. Im Winter fungierte der Robur oft als Starthilfe. Der luftgekühlte Motor hatte in dieser Hinsicht nie Probleme. Wir zogen an so manchem Wintermorgen vor allem W-50 an.
Neben Diskoveranstaltungen gehörte es zu unserer Aufgabe auch, die Kollegen am Abend mit frischen Informationen aus aller Welt zu versorgen. Zeitungen aus der Heimat kamen mit dreitägiger Verspätung und TV-Empfang deutscher Sender gab es nicht. Anfangs hörten wir oft spät abends, wenn der Kurzwellenempfang besser war, deutsche Sender ab, nahmen die mit Mikrofon auf Kassetten auf und schrieben sie am nächsten Tag ab. Nach zwei, drei Monaten erhielten die Baustellen Fernschreiber, die dann auch die offiziellen Nachrichtentexte aus der Heimat empfingen. Das erleichterte unsere Arbeit. Wir gestalteten meist zum Abendessen eine Journalsendung mit viel Musik, Nachrichten, kleinen Berichten und Interviews von Baustellen. Am Sonnabend  dann waren vor allem die Fußballergebnisse der DDR-Oberliga absolut wichtig.
Nach drei Jahren, im Dezember 1978, fuhr ich das Diskomobil innerhalb eines großen Konvois zurück in die DDR. Sechs Tage dauerte die Fahrt bei zum Teil 20 Grad Frost. In Polen dann platzte eine Bremsleitung, so dass das Diskomobil den Rest der Strecke an der Stange hinter einem anderen Lkw bewältigen musste. Das Unikat von Auto wurde nach dem Trasseneinsatz der Pionierrepublik am Werbellinsee geschenkt und Jahre später vermutlich leider verschrottet.