Henning Duckstein, der Mann an der Seite von Gustav „Transporter-“ Mayer, ist am 7. Februar von uns gegangen. Er war an den Wurzeln der Syncro-Geschichte nicht ganz unbeteiligt...
Oldtimerreporter Kai Fröhlich hatte noch die Möglichkeit mit Duckstein über den Urvater des VW Syncro zu sprechen.


Allrad-T2: Mindestens einer hat überlebt - im Hause Volkswagen. Fotos: Oldtimerreporter.Fröhlich


Eigentlich war das alles schon mal da. Allrad im VW. Nur war das in sehr dunklen Jahren. Seitdem war jegliche Rückbesinnung auf diese Zeit tabu.
Zeitsprung

Wer Anfang der Siebziger von Allrad sprach, meinte LandRover. Ansonsten gab es nur Mauerblümchen à la Haflinger, Unimog und Co. Im PKW- oder gar Transporterbereich war das erst mal kein Thema.
Nur ein paar Globetrotter liebäugelten schon lange Zeit mit dem Konzept. Die Tondoks waren 1971-1974 mit einem T2a ein Mal um die Welt gefahren und lobten den Bus über alles. Nur: Allradantrieb, das wäre das Sahnehäubchen. Auch Expeditionsspezialist Därr („Durch die Sahara“) aus München konnte sich nicht zwischen dem Komfort und Platz des VW-Bus und der Geländegängigkeit des Land Rover entscheiden. Doch nichts dergleichen war in Sicht. Nur ein Mann mit diesem Wunsch saß an geeigneter Position: Gustav Mayer. Er war passionierter Sahara-Fahrer. Und Transporter-Entwicklungschef bei VW. An seiner Seite: der ebenso reisebegeisterte Henning Duckstein.

Saure Gurken für die Wüste
1973, die Ölkrise hat der Autoindustrie den Schwung genommen, Kurzarbeit und Entlassungen drohten überall. Kein gutes Umfeld für Experimente. Doch die Absatzflaute hat auch ihr Gutes: Die Entwicklungsabteilung hat Kapazitäten frei, und anstatt Leute rumstehen zu lassen oder gar deren Entlassung in die Hand zu spielen, beauftragt Gustav Mayer sie mit der Entwicklung eines Allradkonzepts für den T2. Budget gab’s natürlich keins, so mussten sich die Ingenieure im Teilelager von VW bedienen: das Frontgetriebe war ein umgedrehtes reguläres, die Kreuzgelenke stammten aus dem LKW-Bereich.


Handgefertigter Schwenkarm.


Die letzte Herausforderung war der Schwenkarm, gemeinhin auch Achsschenkel genannt: im gesamten Konzern war nichts zu finden, was auch nur ansatzweise passte. So haben Gustav Mayer und sein Team das Teil kurzerhand aus dem Vollen gefräst. "Damit kommt ihr nicht mal aus Deutschland raus", prophezeiten die Konstrukteure, letztendlich hat es das Testfahrzeug überlebt. Ein weiteres Bauteil kam aus dem Automatikkäfer: der Wandler. Damit konnte das Drehmoment fast verdoppelt werden. In schwierigem Gelände von unschätzbarem Wert.
Testfahrten im Klärschlamm
Als Testgelände fungierte ein Stück Brachland neben dem Entwicklungszentrum, auf dem Schwemmsand aus einem benachbarten Becken abgeladen wurde. Dieser rundkörnige Sand ist extrem schwierig befahrbar, doch der Bulli hatte keine Probleme, wie ein 8-Millimeter-Film aus der Zeit belegt.
Ende 1975 taten sich Mayer und Duckstein mit Bekannten aus Wien, passionierten Land-Rover-Fahrern, zusammen. Es ging ab in die Sahara: von Tunis durch den Chott el-Dscherid und entlang der algerischen Ostgrenze gen Süden. Dort liegt der Grand Erg Oriental, das größte zusammenhängende Stück Sandwüste der Sahara. Eine ideale Spielweise für die Landies – doch wie würde sich der T2 schlagen?
Wie die Volkswagen-Pioniere es schon erwartet hatten: der Allrad-Bulli machte sich phantastisch. Einmal konnte der Transporter die Dünenkämme mit dem notwendigen Schwung nehmen. Bei den herkömmlichen Allradlern mit Frontmotor besteht hier die Gefahr einer Kopfrolle über die Dünenabrisskante, oder zumindest einer harten Frontlandung. Nicht umsonst nahmen die Landy-Fahrer eine ganze Sammlung von Lenkhebeln (sie liegen im Aufschlagbereich) mit. Ein anderes Mal war gerade aus dem VW-Bus heraus der Blick auf die Fahrbahn – und damit die Reaktion auf gefährliche Situationen – aufgrund der fehlenden Motorhaube viel besser möglich. Kritische Weichsandstellen oder im Sand verborgene spitze Steine waren besser zu sehen.

Verhaftet in Hassi Messaoud
Allerdings war der Benzinverbrauch im Sand extrem, bis zu 40 Liter auf 100 Kilometer schluckte der Bulli. So musste die Reisegruppe die Südrichtung aufgeben und nach Westen abbiegen, um im Erdölcamp Hassi Messaoud nachzutanken. Nun war es die Zeit der kleine Grenzkriege um die Erdöl mit Marokko. So waren sämtliche Felder Sperrgebiet. Die Mini-Expedition wusste das nicht, kam wüstenseitig in das Camp, fuhr zur Tankstelle – und wurde umgehend festgenommen. Da sie nicht über die regulären Zufahrtswege gekommen war, hielt man sie für marokkanische Spione. Nach drei Tagen Haft ließ man sie dann doch ziehen, wie aufgetragen fuhren die drei Fahrzeuge auf der Straße gen Norden, doch kaum außer Sichtweite, steuerten sie in den Sand um auf die ursprüngliche Route zurückzukehren.


Höhergelegter Auspuff.


Erkenntnisse
Der 50-PS-Motor war für diesen Zweck zu schwach. Glücklicherweise wurde in der Zwischenzeit ein stärkeres Triebwerk entwickelt. Der Transporter an sich glänzte mit PKW-ähnlichen Fahreigenschaften, in den siebziger Jahren eine Besonderheit. Im Allrad waren sie durch die Fahrwerksanpassungen nur geringfügig „ruppiger“. Zum Unmut der Landy-Piloten wechselten deren Beifahrerinnen nur allzu gerne in den komfortableren Bulli. Weiterer Vorteil: das Platzangebot, das einen reisegerechten Ausbau ermöglicht.
Nach dieser Testfahrt gab es tatsächlich das offizielle Go der Volkswagen-Geschäftsleitung, allerdings ohne Budget. So wurden, weiterhin aus dem Teileregal des Konzerns, fünf Prototypen gebaut. Immerhin stand inzwischen der 2-Liter-Motor mit 70 PS zur Verfügung. Diese Testfahrzeuge wurden der Bundeswehr, der Polizei, dem BGS und Journalisten zur Verfügung gestellt. Die Reaktionen der waren euphorisch: So schreibt Hermann Rest im März 1979: „GUTE FAHRT fuhr soeben nördlich Würzburg im amerikanischen Reforger-Manöver mit, Ergebnis: Wo Panzer durchkommen - da schafft’s auch der Bus.“
 „Der Allrad-Bus kann mit den meisten etablierten Geländeautos locker mithalten, er ist dank seiner Differentialsperren und wegen der enorm leistungsfähigen Michelin-Reifen sogar manchen Kollegen überlegen.“ (Clauspeter Becker in Heft 6/79er von Auto Motor und Sport).


Auch handgedengelt: 16-Zoll-Felgen in 5 x 205.


Kunde Bundeswehr
Volkswagens Verhältnis zum Militär ist historisch schwer belastet, daher wahrt man seitdem eine respektvolle Distanz. Nach dem Auslaufen des DKW Munga war VW nur als Zwischenlösung mit dem zweiradgetriebenen VW 181 in die Bresche gesprungen. Mit dem T2 Allrad hatte man jetzt aber ein starkes Argument. Doch obwohl der VW Transporter Allrad den Bundeswehr-Verantwortlichen gut gefallen hatte und laut Duckstein auch favorisiert worden war, schob die Firmenleitung den parallel von Audi entwickelten Iltis aus konzernpolitischen Gründen nach vorn.
Mit dem T3 steckte VW seine Fühler wiederum Richtung Streitkräfte aus – lag dort doch ein umfangreicher Bedarf vor. Und tatsächlich: Der 16“-Syncro wurde speziell mit Blick auf das Militär entwickelt – inklusive einer luftlandefähigen Version. Diese Anforderung der Armee erforderte ein leicht abgesenktes Dach um eine bestimmte Höhe nicht zu überschreiten. Doch diesmal ging der Pokal an den Wolf von Mercedes.

Geil – und doch nicht gebaut?
Ja und nein. Der Vertrieb, der bei solchen Entscheidungen ein gehöriges Wort mitzusprechen hat, war gerade mit der Markteinführung des T3 vollkommen ausgelastet, und die Entwicklung arbeitete schon am T4. So dauerte es noch ein paar Jahre, bis der Syncro-Antrieb, dessen Lamellentechnik auf Pumpen von Erdölleitungen in Alaska basiert, 1985 im T3 debütierte. Markenname für das Antriebskonzept war ursprünglich Tetra, aber die Analogie zu den Milchpackungen fand man letztendlich doch nicht optimal, und obwohl die Markenzeichen schon an den Autos klebten, änderte man den Namen auf Syncro.

Wo sind sie geblieben?
Der rot-weiße Testwagen von 1975 wurde von einer Kollegin auf dem „Testgelände“ neben der Entwicklungsabteilung „zerlegt“. Die `79er Prototypen wurden laut Duckstein verschrottet, nachdem sie auf dem Gelände der Entwicklungsabteilung „im Weg standen“. Allerdings soll Gustav Mayer einen davon an einen Privatmann verkauft haben, inklusive der Reste aus dem Teileregal. Duckstein bestätigt das widerwillig. „Prototypen sind keine ausgereiften Fahrzeuge. Sie gehören nicht in Privathand“.

 


Seit dem 7. Februar 2019 nicht mehr möglich: Redakteur Kai Fröhlich im Gespräch mit Henning Duckstein (links).