Wie sehr der Meister ins Detail geht, zeigen die Preistafeln des gebrauchten Peugeot und des Simca auf dem Gebrauchtwagenplatz. Fotos(4): Robert Göschl


Der Oldtimerreporter führt eine neue Rubrik ein, Thema: Modellautos. Denn nicht nur die Originale sind zum Teil schon kultige Kisten, auch ihre Miniatur-Ableger sind äußerst beliebt. Den Auftakt zu unserer neuen Reihe bildet allerdings eine ganze Armada von Modellautos. Der Österreicher Robert Göschl baut Modell-Szenen. Und Bilder seiner Werke wurden auch schon in Büchern des Motorbuch-Verlages veröffentlicht.
Robert Göschl ist Verkaufsleiter beim Autohaus Gerlach im österreichischen Straßwalchen. Doch für ihn ist es nicht nur ein Job beim Renault-Vertragspartner, es ist weit mehr. Es ist eine Art Lebensgefühl. Das zeigt sich schon beim Fuhrpark Göschls. Nicht weniger als acht Fahrzeuge zählt der Bestand, darunter auch Exoten wie Renault 15, Avantime und eine Alpine. Mit viel Liebe hegt und pflegt er seine Lieblinge. Doch Göschl hat auch eine andere, eine weniger zärtliche Seite...
Robert Göschl steigt die Stufen hinab, die ihn in die Katakomben seines Hauses führen. Er betritt einen Raum. Sein Blick ist fokussiert, er ist fest im Willen. Heute muss es passieren. Und da liegt sie auch schon vor ihm. In ihrer ganzen, unbefleckten und reinen Unschuld. Zärtlich streichen seine Finger über sie, doch dann packt er sie, hält sie fest in seiner Hand und beginnt sie sauber zu zerteilen.
Keine Angst, das ist kein Auszug aus Stephen Kings neuestem Roman. Und auch kein Horrorbericht aus der Kronenzeitung. „Sie“ ist eine Alpine A110 im Maßstab 1:43. Und sie wird Teil eines genialen Projektes. Denn Robert Göschl baut in seiner knappen Freizeit Dioramen.

Die Mini-Alpine wird an ihrer Front zersägt bis der Vorderwagen nur noch rudimentär vorhanden ist. Dann schiebt Göschl sein „Opfer“ in die Werkstatt eines Maßstabsgetreuen, selbst gebauten Tankstellen- und Werkstattgebäudes. An den Zapfsäulen der Tankstelle stehen aber nicht nur Renaults der 60er, auch ein Simca, ein Mercedes und ein Opel könnten auftauchen. Denn bei aller Liebe zur französischen Traditionsmarke, viel wichtiger ist ihm ein reales Szenario.


Renaults erster Welterfolg und sein Erbe. So wie der 4CV und der R4 sind nahezu alle Protagonisten der Dioramen austauschbar. So lassen sich nahezu alle Epochen realistisch nachstellen.


So wie es eben an den 60er-Tankstellen, irgendwo in Frankreich, alltäglich war. Daher stehen bei besagtem Renault-Händler auch Fremdfabrikate auf dem Gebrauchtwagenplatz, wie z.B. ein Peugeot 504. Wer nun aber glaubt, es sei damit getan, nur ein paar Modellautos vor einer Werkstatt aufzustellen und eine Handvoll Modellautos zu zersägen, der sieht sich getäuscht.
Denn bei Göschl, der neben seinen Dioramen auch mehr als 1100 Renault-Modelle besitzt, muss alles stimmen. Bis ins allerkleinste Detail. So kann man in der Werkstatt, in der unser Opfer seinen Platz fand, auch eine Hebebühne erkennen. Natürlich selbst gebastelt. Genau wie das Schweißgerät, die Werkbank, der Werkzeugwagen und noch so vieles mehr. Sogar kleine Werbeplakate und Aushänge finden sich an der Wand oder dem Werkstatttor. Man möchte wirklich glauben, dass der Bastler eine reale Szene geschrumpft hat.


Entgegen der Austauschbarkeit der Tankstellen sind zwei Dioramen unveränderbar. Zwei dieser Miniaturwelten zeigen Schrottplätze, auf denen mehr als 50 Modellautos fest verbaut sind. Die meisten sind aus Metall, aber wenn's mal am geeigneten Modell fehlt, greift Göschl auch mal gerne zu einem Bausatz aus Resin oder Kunststoff. Hauptsache stimmig.


Aber Werkstattszenen sind nicht alles. Und er geht noch weiter. Sein Meisterwerk sind ohne Zweifel die Schrottplatzszenen. In den Jahren, als man das Wort „Umweltbewusstsein“ vergeblich im Duden suchte, waren Schrottplätze bei Werkstätten gang und gäbe. Das Highlight seiner Dioramen dürfte der zeitgenössische Waldschrottplatz sein. Wie viel Detailbesessenheit muss man mitbringen, um so ein geniales Werk zu schaffen? Da steht zum Beispiel ein Renault 9 vor einer Mauer. Der hintere Teil der Beifahrerseite ist aufgebockt, auf Maßstabsgetreuen Backsteinen, die gleichen, wie sie beim Bau der Backsteinmauer Verwendung fanden. Den R9 hat er seines Hinterrades beraubt, der Lack erscheint matt, die Türen sind weg und stellenweise kann man Rost erkennen. Weit martialischer ist der Modellauto-Meuchler auf dem eigentlichen Schrottplatz zu Werke gegangen. Der grüne Golf I steht da mit matten Scheiben, ohne Stoßstange und Kotflügel, verrostet, ein Bild des Jammers. Noch schlimmer hat es den R10 erwischt, der seine letzte Ruhe auf einem Peugeot 404 gefunden hat, ihm hat man Türen, Scheinwerfer, Räder und noch so einiges mehr entnommen. Doch ganz schlimm hat es den Ford Capri getroffen, der auf einer Heckflosse drapiert ist. Hier hat der Salzburger Serien-Säger nurmehr das Skelett übrig gelassen.
Es drängt sich geradezu die Frage auf, ist das noch Genie oder schon Wahnsinn? Zweifelsohne ist es genial, mit solchen Modelllandschaften eine gewisse morbide Romantik zu erzeugen. Zwischen den Autos „wachsen“ Sträucher, Bäume, Hecken. Das schafft eine schaurig-schöne Gefühlslage. Genie also, ohne Zweifel. Aber wie würde der Österreicher sagen? „A Wahnsinn!“...


Die Alpine A310 und der Unfall-R17 belegen die Hebebühnen der Werkstatt. Also muss der Geselle am aufgebockten R12 eben im Freien hantieren. Derweil warten R4 und ein R10 ebenfalls auf den Einsatz eines Mechanikers. Die erkennbare Innenausstattung der Werkstatt wurde ebenfalls komplett von Robert Göschl gebaut.