Der Renault 12, auf den ersten Blick bieder, doch sieht man genauer hin erkennt man einen gewissen Avantgardismus bei der Formgebung. Dieser R12 ist ein Modell der zweiten Serie, an der geänderten Front zu erkennen.
Fotos: Oldtimerreporter.Gaubatz


Zugegeben, ein nicht gerade schmeichelhafter Titel. Aber zutreffend. Im positiven Sinne. Denn ursprünglich war der „Douze“ ausschließlich für den nordafrikanischen Markt geplant. Und man konnte schließlich dem Lieblings-Feind Peugeot nicht kampflos das Feld überlassen. Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. So auch beim Renault 12.

1964 begann man in Boulogne-Billancourt mit der Entwicklung eines Autos, das man in die Wüste schicken wollte. Durch die besonderen Beziehungen der Franzosen zum schwarzen Kontinent, musste man auf diesem wichtigen Markt präsent bleiben. Doch schnell merkte man bei Renault, dass dieses Projekt 117 noch viel mehr konnte. Nämlich die sich abzeichnende Lücke zwischen dem ebenfalls geplanten R6 und dem schon fast serienreifen R16 zu schließen. Es war unübersehbar, dass der R8 und der für 1965 vorgesehene Notnagel R10 im Grunde total veraltet waren. Die Dauphine, ebenfalls noch in Produktion, sowieso.Außerdem ging der Trend zweifelsohne zum Frontantrieb. Also begann man das etwas martialische Afrika-Design „Europakompatibler“ zu stricken. Damit gelang Renault ein Spagat in Sachen Design. Einerseits fast schon etwas langweilig und konservativ bieder mit seinem Stufenheck-Auftritt, andererseits zeigte die extreme Keilform mit der stark geneigten Frontscheibe, der fast senkrecht stehenden Heckscheibe und dem ebenfalls stark abfallenden Kofferraum schon fast extravagante Züge.


Das Armaturenbrett hatte man beim Facelift ebenfalls glattgebügelt. Bis heute scheiden sich die Geister: Die Phase-I-Anhänger schrien Zeter und Mordio, man habe dem R12 das letzte Fünkchen Charakter genommen. Mag sein, aber die überarbeitete Ausführung war auch deutlicher nach damals gültigen Sicherheits-Aspekten gezeichnet. 


Bei der Technik war er durchaus der Biedermann, der er zu sein schien. Die Leistung reichte von 50 PS in den Ausführungen L/TL ab 1975 bis hin zu sagenhaften 113 PS in der Gordini-Version. Immerhin war der Motor ein alter Bekannter, der in seiner Grundkonzeption auf das 1942 entwickelte 4CV-Aggregat aufbaute. Speziell der „810er“-Motor des R12 gilt heute als Synonym für den unkaputtbaren Renault-Motor. Auch die Karosserie und die restliche Technik war überaus robust. Rostprobleme wie seine Vettern kannte der R12 in dem Ausmaß nicht. Reserveradwanne im Kofferraum, A-Säulen, Schweller, hintere Radläufe konnten schon mal unter Rostbefall leiden. Besonders schlimm konnte es beim Frontblech enden, das eindeutig eine Fehlkonstruktion darstellt. Denn die Scheinwerfer sind in „Blechhöhlen“ eingefasst, in denen sich Schmutz und Regenwasser sammeln. Aber ansonsten war und ist er der „unauffällige Musterknabe“, wie ihn seinerzeit die „auto, motor und sport“ bezeichnete. Die Kombiversion „variable“, die 1970 folgte, erschien etwas gefälliger. Der 1971 vorgestellte „Hexenkessel“ R12 Gordini erschien dagegen „etwas“ heißer.
Tja, nächstes Jahr feiert der R12 seinen Fünfzigsten. Obwohl, eigentlich feiert er ja schon dieses Jahr das runde Jubelfest. Aber wie kommt's? Beides stimmt. Sein Debüt erlebte der R12 1969. Als Renault 12. Aber bereits 1968 erschien auf dem südamerikanischen Markt der Ford Corcel. Nun fragt sich der geneigte Leser, was hat der mit dem R12 zu tun? 1968 übernahm Ford do Brazil den Renault-Partner Willys Overland, die auch den R12 lancieren wollten. Ford nahm das fast fertige Auto und verpasste der Franzosen-Technik eine eigene Hülle.
Weit mehr Ähnlichkeit, nämlich eine frappierende, wies der rumänische Dacia 1300 auf, der ebenfalls schon 1968 auf osteuropäischen Straßen fuhr. Die Ähnlichkeit ging so weit, dass sogar die Typenschilder Rautenform hatten. Denn Renault lieferte bei den ersten Modellen noch sämtliche Teile nach Rumänien, wo sie nur noch zusammengebaut wurden. Lediglich die Markennamen und Typbezeichnungen an der Karosse wichen ab.
So oder so, der R12 wurde zum Welterfolg. Ob in Australien, den USA, in Osteuropa, der Türkei oder in Afrika und Europa, er fand auf Anhieb seine Liebhaber. Renault verkaufte zwischen 1969 und 1980, dem Ende in Frankreich, 4,2 Millionen Exemplare. Der Verkauf in Deutschland endete übrigens schon 1979 zugunsten des 1978 vorgestellten Renault 18. In Rumänien wurde er fast 35 Jahre lang, bis 2004 gebaut, nahezu zwei Millionen Fans fand der Dacia im Osten. Immerhin bis ins Jahr 2000 entstand er auch in der Türkei, am Ende als Renault 12 Toros. Er war also nicht nur ein Musterknabe, er war auch noch ein echter Weltstar. Also Grund genug, dass wir dieses verkannte Genie im nächsten Jahr zu seinem „echten“ Fünfzigsten noch einmal abfeiern werden.