Die erste Espace-Generation, die eigentlich für den PSA-Konzern als Rancho-Nachfolger entwickelt wurde, sorgte bei Renault für Feierlaune. Auch wenn der Anfang etwas holprig verlief.  Foto: Eric Manesse


Anfang der 1980er-Jahre macht sich eine Delegation in Romorantin-Lantheney auf den Weg, um ins mehr als 500 Kilometer entfernte Sochaux zu pilgern.
Im Gepäck hatten die PSA-Gläubigen ihr „Project P18“. Und fest in ihrem Glauben waren sie sicher, dass man das Geschäft machen würde. Immerhin gab PSA den Auftrag, der P18 sollte den Talbot-Matra Rancho ersetzen. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt... Die Tore in Sochaux blieben verschlossen.

Die Matra-Pilger mussten unverrichteter Dinge wieder heimkehren. Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so viel näher liegt. Wieder unternahm man eine Pilgerreise, diesmal in das nur rund 200 Kilometer entfernte Boulogne-Billancourt. Und Renault öffnete Tür und Tor. Man war durchaus angetan von dem Entwurf. Ein Fahrzeug, das es so in Europa noch nicht gab, aber in den USA z.B. sehr beliebt war. Warum also nicht? Dem Prototypen entriss man also die Ingredienzien des Löwen und pflanzte ihm die Organe von R18, R20 und Co. ein.
Der heute als Yacht-Designer tätige Grieche Antonis Volanis, der auch den Matra Rancho und weitestgehend auch den Citroen Xsara Picasso entwarf, zeichnete auch für die Form des Espace verantwortlich. Diese Arbeit gilt bis heute als sein wichtigstes Werk. Anfänglich schien es aber, als würde es zu seinem persönlichen Waterloo werden. Und zum Waterloo des Staatskonzerns. Zwar gingen schon im ersten Monat seines irdischen Daseins weltweit Aufträge ein. Aber die Anzahl ließ zu wünschen übrig. Ganze neun (9!) Aufträge flatterten in Billancourt auf den Tisch. In der Direktionszentrale bei PSA dürfte man sich ob dieser Nachrichten schon die Hände gerieben haben, konnte man dem Erzrivalen doch ein faules Kuckucksei ins Nest legen. Doch wer zuletzt lacht...


Nicht zuletzt überzeugte vor allem das Raumkonzept mit seinen genialen Variationsmöglichkeiten das Gros der Kunden. Foto: Renault


So oder so, der Espace war in Europa nicht nur neu, sondern auch richtungsweisend. Nicht nur das höchst wandelbare Innere des Raumschiffs, auch die Karosserie konnte durchaus als innovativ bezeichnet werden. Die Kunststoffhaut brachte ihm auch den Spitznamen „Tupperschüssel“ ein, noch heute nennen ihn seine Anhänger so, mit einem fast zärtlichen Unterton. Und auch wenn aller Anfang schwer war, die Verkaufszahlen sich nur mühsam aus dem Keller schleppten, mit der Zeit wurden die potentiellen Käufer aufmerksam. Und es ging aufwärts. 1988 unterzog man den J11, wie er intern genannt wurde, einer kleinen Schönheits-OP, als Bonus quasi legte man noch die Allrad-Version „Quadra“ obendrauf. Auch die Motorisierung konnte sich damals sehen lassen. Neben einem 2.0L- und einem 2.2L-Benziner, war auch ein 2.1L-Diesel erhältlich. Dieser erzeugte 88 PS, die Benziner schafften zwischen 101 und 120 PS. Als er 1990 in den Ruhestand geschickt wurde, standen trotz anfänglicher Absatzprobleme mehr als 190.000 Espace zu Buche.


Der für Renault schon traditionell wichtige Markt in Deutschland, nahm den Espace ebenfalls sehr wohlwollend auf. Sogar Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz setzten auf den Alleskönner. Foto: Renault


Der 1991 nachfolgende Espace II, als J63 deklariert, wurde etwas rundlicher, der Aerodynamik sei Dank. 18 Mehr-Zentimeter bedeuteten auch noch mehr Platz, noch mehr Nutzen. Die Motorisierung wurde vom Espace I übernommen, allerdings spendierte man den Neuen nun auch einen 2.8L-V6-Motor. Seine 150 PS ermöglichten sehr beachtliche 195 km/h. Wenn man in Betracht zieht, dass andere Fahrzeughersteller sehr schnell das Potential erkannten und auf die Verkaufserfolge von Renault aufmerksam wurden, eigene Modelle offerierten, dann sind mehr als 315.000 verkaufte Exemplare sehr erfolgreich. Auch auf dem deutschen Markt gewann er mehr und mehr Anhänger. Sogar die meist auf deutsche Fahrzeuge setzenden Rettungsdienste bedienten sich des Espace.
1996 folgte die dritte Generation (JE), erstmals lancierte man eine zusätzliche Version, den um 27 Zentimeter verlängerten Grand Espace. Und auch neue Motoren kamen zum Einsatz, das Leistungsspektrum reichte vom 1.9L-Diesel mit 98 PS bis zum 3.0L-V6-24v mit 190 PS. Er wurde nicht nur beliebter, der Espace, er entwickelte sich in Folge dessen auch zum Kassenschlager. Und das brachte auch noch mehr Variationen in die Preisliste. Der JE diente auch als Basis für den Avantime, der jedoch nur 18 Monate gebaut wurde und trotz des mäßigen Erfolges noch Lebzeiten zum Kultauto reifte. Im Gegensatz zum Avantime konnte der JE beim Verkauf noch einmal zulegen und blickte am Ende auf mehr als 357.000 Einheiten zurück.
Bis heute ist der Espace eine nicht wegzudenkende Stütze des Renault-Erfolges. Auch wenn das aktuelle Modell mit dem Ur-Espace von Matra, die inzwischen den Weg alles irdischen gingen, nur noch wenig gemein hat. Der Espace hat Geschichte geschrieben. Und nun reibt man sich in Billancourt die Hände...