Die stark an Citroens SM erinnernde Front der Vierzylinder-Alpine wirkt martialischer als sie wirklich ist.
Fotos: Oldtimerreporter.Gaubatz


Stellen Sie sich vor, Sie haben eine kleine Automobilfabrik und Ihr Unternehmen platzt aus allen Nähten. Also sind Sie kreativ und ziehen mit Ihrer kompletten Entwicklungsmannschaft in Ihre Privaträume. Wenn Sie dabei aber die Küche Ihres Heims besetzen, dann dürften private Konflikte vorprogrammiert sein. Oder was würde Ihre Frau sagen?
Doch immer schön...

..der Reihe nach. Ende der 1960er-Jahre schwimmt die kleine Auto-Schmiede Alpine in Dieppe auf dem Höhepunkt. Die ersten Modelle A106 und A108 erzielten erste Erfolge im Motorsport und kamen bei privaten Käufern gut an. Die A110 allerdings stellte alles Bisherige in den Schatten. Sie räumte auf den Renn-Pisten der Grande Nation und auch im Rest der Welt ordentlich auf. Man war angekommen in der Spitze der renommierten Marken.
Also ist es nun an der Zeit einen Schritt weiter zu denken. Man hat dem Zuffenhausener Konkurrenten Porsche auf der Rennstrecke schon öfter ans Bein pinkeln können, manche Trophäe schnappte man dem Über-Sportwagen vor der Nase weg. Also ist es höchste Zeit, Porsche auch die Privatkunden abspenstig zu machen.
Jean Redélé weiß sehr wohl um die Qualitäten der kleinen A110, weiß aber auch, dass die blaue Flunder dafür nicht geeignet ist. Auch wenn sich die Auftragsbücher schneller füllen, als man zusehen kann. Ein echter Porsche-Jäger muss also her. Ein Auto, das die sportlichen Gene mit Ambiente, Luxus und Esprit verbindet. Rédélé hält das Lastenheft kurz und übersichtlich. Er will einen luxuriösen Sportwagen mit V6-Motor, der die 200 km/h-Marke knacken muss. Er weiß sehr wohl um die Pläne der großen Schwester in Billancourt, die gerade mit der Entwicklung des später PRV-Motor genannten Aggregats begonnen haben. Aber er hat keine Zeit, also muss er mit den Mädels tanzen, die auf der Kirmes sind.


Mehr Leistung, und damit auch mehr Erfolg, bringt die V6-Alpine. Die geänderte Front ist das auffälligste Unterscheidungsmerkmal.


Der bestmögliche Motor ist der 1600er des R16. Also muss die Entwicklung sowohl einen Vierzylinder am Anfang, als auch den späteren Einsatz eines V-Motors berücksichtigen. Und Rédélé schart seine besten Männer um sich: Roger Prieur, der auch maßgeblich an der Entstehung der A108 und A110 mitwirkte, Yves Legal, Richard Bouleau, Marcel Hubert und Bernard Dudot. Auch Renault unterstützt die Ambitionen und setzt in Rueil Michel Beligond ans Zeichenbrett, der erste Skizzen entwirft.
Viele A310-Anhänger nannten ihren Traumwagen damals schon „Tupperschüssel“, so wie sie es auch heute noch, neben den Espace-Freunde tun. Wie nahe aber gerade die Alpinisten mit diesem Spitznamen der A310 kommen, das wissen wohl nur Wenige. In der Tat ist es so, dass Jean Rédélé mit seinem Ingenieurs-Tross kurzerhand die Küche seiner Gattin in Beschlag nimmt. Dort entstehen weitere Design-Entwürfe und erste Tonmodelle. Was jetzt die werte Gattin genau dazu sagte, das ist wohl der Zensur zum Opfer gefallen. So oder so, man schafft es, die A310 1971 mit ihrem Vierzylinder in den Handel zu bringen.
Die Front mit ihren sechs Rechteckscheinwerfern, die hinter Glas geschützt sind, erinnern stark an den ein Jahr zuvor präsentierten Citroen SM. Für viele Hardcore-Alpinisten die schönste A310-Version, denn die V6-Variante, die dann endlich 1976 verfügbar ist, beraubt man zweier Lampen und hat nun nur noch vier Hinterglas-Leuchten. Der Erfolg der A310 stellt sich nur schleppend ein, was in erster Linie der dürftigen Leistung, die A310 bringt gerade mal 115 PS auf die Straße, geschuldet ist. Auch die Erfolge auf den Rennpisten ändern nichts daran: Mit dieser Leistung und dem hohen Preisniveau kann man Porsche nicht schlagen. Deutlich besser gelingt das 1976 mit der V6-Ausführung. Immerhin stehen jetzt 150 Pferde im Stall, bei späteren Sondermodellen können's gerne auch mal an die 200 sein. Doch auch dieser Motor ist nicht der Weisheit letzter Schluss, er überzeugt durch einen eher unsauberen Lauf.
Verantwortlich ist dafür der 90°-Zylinderbankwinkel, der bei V8-Motoren perfekt, beim V6 eher suboptimal ist. Und ursprünglich plant man einen V8, aber Dank der Ölkrise schnippelt man kurzerhand zwei Zylinder ab und lässt alles andere wie es ist. Trotzdem ist die A310 jetzt endlich der Ernstzunehmende Konkurrent für den deutschen Übersportler. Auch wenn Alpine Porsche nicht wirklich gefährlich werden kann, so kann man dem Konkurrenten doch in die Suppe spucken. Die A310 wird bis 1985 mit 11.616 Exemplaren (davon entfallen 2.340 auf die Vierzylinder-Modelle und 9.616 auf die V6-Version) zum meistgebauten Alpine-Modell. Und die Presse (auch die Deutsche) tut ihr Übriges für den Erfolg, indem sie die A310 kurzerhand zum „Franzosen-Porsche“ kürt.