"Fluchtpunkt Thenay": Die deutsche Karawane zieht weiter - ins gelobte R4-Paradies. Fotos: Martin Herkel


Martin Herkel ist R4-Liebhaber. Schon 2017 wollte er ins französische Thenay pilgern, dem Mekka der R4-Jünger. Aber technische Unpässlichkeiten des Gefährts stoppten die Reise ins gelobte Land. Dieses Jahr wird alles besser, mit dieser Überzeugung konsultierte er Freund Dietmar Lorken-Korte, einen KFZ-Meister der alten Schule, der auch durchaus die Tücken antiker Technik kennt. Nach einem gründlichen Gesundheitscheck des R4 geht Herkel also an die Planung. Aber da lauern schon die nächsten „Tretminen“.  Doch ein Herkel gibt nicht auf…


Boxenstopp in Schwerte bei Renault-Groß- und Altmeister Dietmar Lorken-Korte. Nach der Durchsicht befindet der Maestro den R4 des Thenay-Pilgers Martin Herkel für fernreisetauglich.


Erste Hürde: Die Sprache. Denn in Frankreich spricht man, na? Eben. Französisch. Und wenn man das nicht beherrscht, dann können Unterhaltungen sehr schnell einseitig werden. Ebenso wird das Verstehen von wichtigen Informationen nicht gerade vereinfacht. Denn das Treffen „4L INTERNATIONAL“ ist nur international, was das Publikum betrifft. Alle anderen Infos gibt’s nur in französischer Sprache. Also ran an die Tasten und rein ins Netz. Kontaktsuche. Wer fährt noch mit seinem R4 zum Treffen in Frankreich? So eine Fahrt im Konvoi durch ein fremdes Land macht mehr Spaß und es gibt ein Gefühl der Sicherheit, sollte die viel beschworene Robustheit des R4 doch mal ein Päuschen einlegen. Schnell ist der Kontakt zum „Renault 4 Club Deutschland“ hergestellt, genauso schnell ist der verwegene R4-Treter mittendrin, statt nur dabei. Und nicht nur die virtuelle Aufnahme, auch das persönliche Kennenlernen am ersten Treffpunkt in Remscheid, ist sehr herzlich.


Thenay-Power: Renault-4-Dragster geht scheinbar auch.


Übrigens hat Herkel da schon eine ordentliche Strecke hinter sich und den R4 gebracht, denn als Berlin-Brandenburger kommt er von etwas weiter weg. Und es ist noch lange nicht vorbei, weiter geht es nach Luxemburg, wo eine zweite Truppe wartet. Nachdem sich dann insgesamt neun Quatrelles fast aller Bauart im Großherzogtum versammelt haben, starten die Pilgerväter gen Frankreich. In einer schönen Auberge in La Rothière ist eine Übernachtung geplant. Die bisherige Reise ging ohne größere Katastrophen vonstatten, lediglich ein gerissener Gaszug machte Ärger, der aber mittels Lüsterklemme wieder seinen Dienst verrichtet. Das gemeinsame, ausgezeichnete Abendmahl, wie man es von der französischen Küche kennt, und tolle Gespräche bestätigen Herkel, das war eine gute Idee. Und nachdem man am Morgen den Zusammenhang zwischen Batterie und elektrischem Verbraucher (in dem Falle eine Kühlbox) gelernt hat, geht’s nach kurzer Starthilfe weiter, die restlichen 330 Kilometer durch das malerische Nachbarland sind bald zurückgelegt. Am Firmament erscheint sie, die heilige Stätte: Circuits du Val de Loire a Thenay.


Geht nicht gibt's nicht - beim Renault 4.


Ein emsiges Treiben erwartet die teutonische Delegation, Händler haben ihre Stände, Teilnehmer ihre Zelte und Wohnwagen fast schon malerisch ins Chaos drapiert. Denn Chaos herrscht stellenweise, scheinbar vor Freude verrückt gewordene 4L-Raid-Fahrer kurbeln lachend und laute Musik hörend am Volant, hupende Autocorsos, R4 in allen möglichen und unmöglichen Farben, Formen, Umbauten. Von der Ratte bis zur Rarität, vom Schrott bis zum Schau-Objekt, alles ist da. Alles. Sogar das Projekt-Auto „e-Plein-Air“ wird präsentiert.
Der Samstag entwickelt sich dann, wie schon erwartet, zum monetären Waterloo. Denn die gebotene Teileauswahl ist größer, als alle gutgemeinten Einkaufslisten, auch von daheimgebliebenen Freunden. Das Angebot führt alle guten Vorsätze ad absurdum. Dafür kann das Abendprogramm wieder voll punkten. Tanz und Gesang, Speis und Trank, alles perfekt. Nur die sanitären Einrichtungen, insbesondere die Duschmöglichkeiten, sorgen für Naserümpfen. Bei 34 bis 38 Grad im Wortsinne. Aber der Vin Rouge lässt alles etwas leichter erscheinen, bald schon ist der Kampf zwischen Schweißdrüsen und Nasenschleimhaut völlig unerheblich geworden. Nach dem Genuss einer Literzahl im höheren Bereich tritt der „R4-Held“ aus Brandenburg den Weg zum Zelt an. Nicht ohne dabei mit dem Körper, insbesondere der Region nördlich des Halses, genug Bodenproben der französischen Provinz entnommen zu haben. Aber irgendwann ist es geschafft.


Fundstücke: In der etwas anderen "Grünanlage" am Wegesrand gab's das eine oder andere gesuchte Teil...


Wer nun aber glaubt, dass es alleine mit dem Treffen in Thenay getan wäre, der muss sich getäuscht sehen. Bei der geplanten Übernachtung auf der Heimreise im 80-Seelen-Dörfchen Quincerot, outet sich der Mann der Wirtin als berenteter Werkstattbetreiber und bittet die Gäste mitzukommen. Mit dem Hinweis, er hätte „da noch was rumstehen“! Die Besucher erwartet ein Autofriedhof, viele eingewachsene Autos, auch R4 darunter. Was nun folgt dürfte klar sein. Zweieinhalb Stunden Leichenfledderei, dann Essen, Duschen, Bett. Der Rest der Heimreise erfolgt wie der Hinweg, logischerweise nur umgekehrt. Zuhause zieht der Pilger sein persönliches Fazit. Sechs Tage im Auto, nur um mit anderen positiv Bekloppten ein Kultauto zu feiern, das hat sich gelohnt. Und Frankreich ist eben doch das gelobte Land.