Der neue Renault- "Régi(e)sseur" für die République. Nach der Enteignung wirkte Pierre Lefaucheux (1944-1955) durchaus erfolgreich im Sinne der Marke.
Fotos: Renault


Die Lebensleistung des Louis Renault ist beispielhaft. Den kometenhaften Aufstieg seines Unternehmens verdankt er zum einen seinen beiden Brüdern, die stets an ihn glaubten. Zum anderen verdankt er diese Entwicklung – sich selbst. Seiner Sturheit, seiner Brillanz und seinem unbeugsamen Willen. Doch der Krieg geht auch an Louis Renault nicht spurlos vorbei. Als Frankreich befreit wird, machen die neuen Herren Jagd. Nicht nur auf Kollaborateure, sondern es werden auch alte Rechnungen beglichen. Mit dem Großkapital. Und deren berühmtester Vertreter: Louis Renault.
Er fühlt sich schon länger unwohl hat das aber nie beachtet. Für eine Flucht ist er zu schwach, also stellt er sich am 23. September 1944 „dem Buckligen“, dem Richter Martin, der ihn umgehend in Frèsnes inhaftieren lässt. Am 24. Oktober 1944 stirbt Renault an den Folgen einer Urämie.

Doch längst schon sind die Weichen gestellt. Die neuen Machthaber haben schon am 27. September 1944 die Leitung des Autobauers übernommen. Am 4. Oktober entsenden sie den neuen Kapitän, der sich einen ersten Überblick verschafft. Am 6. Oktober hält der Neue, Pierre Lefaucheux, eine vielbeachtete Rede vor den Kadern des Konzerns. Denn diese Leute braucht er. Er muss sie gewinnen. Und der tut das auch:
Von nun an werden Sie nicht mehr einem einzigen Manne dienen, Sie werden für die ganze Nation arbeiten! Erwarten Sie jedoch nicht von mir, dass ich den kranken und am Boden liegenden Mann belaste, den ich bei Ihnen vertrete. Louis Renault ist ein großer Mann, dem sein Heimatland viel zu verdanken hat. Ich verstehe absolut Ihre Treue ihm gegenüber. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass ich Sie verachten würde, würden Sie ihm nun untreu werden! Aber es ist normal und unabdingbar, dass diesem Haus eine neue Verfassung gegeben wird, da es nach neuen Zielen strebt, ja, streben muss. Ich werde in diesem Unternehmen eine brüderliche Autorität einführen.“


Moderne Motorenproduktion zu Zeiten von Lefaucheux.


Die Direktoren sind beeindruckt. Und folgen dem Mann, der die künftige „Régie Nationale des Usines Renault“ wieder in ruhigeres Fahrwasser lotsen wird. Auch wenn sie nicht immer seiner Meinung sind und gegen ihn votieren - wie zum Beispiel beim 4CV. Sie halten den anderen Prototypen eines 11CV-Wagens, der neben dem 4CV-Prototypen in der Werkstatt Tricoche den Krieg überlebte, für aussichtsreicher. Mit ihm könne man schließlich Citroën schlagen. Doch Citroën interessiert den neuen Chef nicht. Er weiß, dass der 4CV das Potential hat, Gewinne und vor allem Devisen einzufahren.
Am 16. Januar 1945 wird es offiziell. Arbeitsminister Alexandre Parodi, Industrieminister Robert Lacoste, Finanzminister René Pleven, Wirtschaftsminister Pierre Mendès-France, und natürlich der Präsident der provisorischen Regierung Charles de Gaulle, der später einmal sagen wird „Die Régie ist meine Tochter“, unterzeichnen das Dekret Nummer 45-68. Damit ist Renault verstaatlicht. Doch dem nicht genug. Auch die Familie Renault ist damit enteignet. Sowohl geschäftlich, als auch privat. Was in jenen Tagen gegen geltendes Recht verstößt. Trotzdem verlieren die Enkel Renaults einen aufsehenerregenden Prozess in den 2010er-Jahren.
Doch zurück zu Pierre Lefaucheux. Nicht nur der 4CV wird für Furore sorgen, unter Lefaucheux‘ Leitung entstehen auch Modelle wie Colorale, Frégate und die Dauphine. Deren Debüt er allerdings nicht mehr erleben wird. Er stirbt am 11. Februar 1955 bei einem Glatteisunfall in der Nähe der Stadt St. Dizier. Ein ungesicherter Koffer auf dem Rücksitz seiner Frégate trifft ihn im Genick. Er ist auf der Stelle tot.
Ironie des Schicksals: Auf den Lastwagen, die die Kränze und Blumengebinde seiner Trauerfeier zum Mahnmal des Widerstandes fahren, steht in großen Lettern: „Die Frégate. Der Wagen, der sein Versprechen auf der Straße hält."
In den 1990-ern leitet Louis Schweitzer, ein Neffe des legendären Urwald-Doktors Albert Schweitzer, die Reprivatisierung des Unternehmens und die Umwandlung in eine „Société Anonyme“, eine Aktiengesellschaft.