Am 12. September 1993 war es, als Roland Asch auf der Berliner Avus (!) beide DTM-Läufe mit einem W201 gewann.
Fotos: Mercedes Benz Classic-Archiv.


Die automobilen Bedürfnisse des Otto Normalverbrauchers sind sehr vielfältig und verschieden. Dem einen genügt es, ein Fahrzeug in Schlichtausstattung  zu besitzen, für einen anderen muss es die Luxuslimousine sein, wiederum andere legen Wert auf die Fächer Sport und Leistung. Sie meinen, ein Modell alleine kann diese Anforderungen nicht abdecken? Das Mercedes-Modellprogramm der 1960er- bis 1980er-Jahre widerlegt diese These auf das Deutlichste. Da finden sich Magermodelle, mit denen selbst Buchhalter ihre Schwierigkeiten hätten, ebenso Luxuskaleschen und/oder Wagen mit ordentlich Wumms unter der Haube.

Die Entwickler des 190 W201 scheinen sich sehr genau an diese Vorgaben zu halten. Spartanische Grundmodelle mit dem Charme eines klinisch sauberen Wartesaals, opulente Luxusmodelle (der Aufpreisliste sei Dank) und sportliche Renner für die Rundstrecken des Landes. Demonstrieren wir das an drei Beispielen:
Fall 1, 1984, irgendwo im Land. Karl möchte sich zur Rente noch einmal etwas gönnen. Sein Mercedes 200D Baujahr 1966 ist in die Jahre gekommen, der Motor ist unermüdlich, aber die Karosse ist mittlerweile rundherum angenagt. Trotz jährlicher Altöl-Flutung des Blechs! Gewünscht, getan, einen neuen 190D besorgt. Der Tag ist gekommen und das gute Stück steht vor der Haustür. Ein neuer Mercedes, welch ein Gefühl für Karl! Liasgrau 751 trägt das gute Stück, ganz ähnlich wie die Flosse. 2 Liter Hubraum, 72PS, vier Gänge, Servolenkung. Sitzpolsterung Marke „Schlicht und robust“.  Das muss genügen, es ist ein Mercedes, das reicht als Gefühl. Bei Bedarf mit dem Diesel auch noch 500.000km später. Wer braucht schon Luxus?


Vom "Buchhalter" bis zum Sportler war alles im  Programm. Die letzten "Baby-Benz" erhalten 2023 ihren "H-Segen".


Fall 2, 1986, ebenfalls irgendwo und überall. Franz, gut situierter Unternehmer, benötigt einen neuen Geschäftswagen. Sein W123 230E hat ihn sechs Jahre lang und 350.000 km treu begleitet, ohne besondere Vorkommnisse. Nun hat der Wagen die Abschreibung durchlaufen und etwas Neues muss her. Man rät ihm eindringlich zu einem Diesel, der vielen Kilometer wegen. Ein Diesel? Nein danke, der ist nicht herzeigbar vor seinen Kunden – am Ende denken die, Franz sei arm. Etwas mehr Leistung darf es jetzt sein, Platz benötigt er weniger, die Kinder sind aus dem Haus. Da findet sich doch im 190-Prospekt… der 190 E 2.6. Der ist es! Sechszylinder, 160 PS, mit ein paar zusätzlichen Kreuzchen auf dem Bestellformular auch anständig ausgestattet. ABS, Klimaanlage, elektrische Fenster etc…  Außen blau 904, innen Leder schwarz.  Das macht was her!


Schon Anfang der Neunziger erprobte Mercedes-Benz den Elektro-Antrieb in einem Serien-PKW. Der 190-er schien den Ingenieuren am ehesten praxistauglich zu sein. Natrium-Nickelchlorid- oder Natrium-Schwefel-Hochenergiebatterien schienen die Lösung zu sein, allerdings mit sehr hoher Arbeitstemperatur von bis zu 300 Grad. Aktuell wird die Batterie-Idee von der Firma Faradion wieder aufgegriffen - aber als praxisnähere Natrium-Ionen-Akkus.


Fall 3, 1988 irgendwo in einem Motorsport-Club. Hans, begeisterter Hobby-Rennfahrer, sehnt sich nach einer passenden Ergänzung zu seinem Porsche 911. Der fasziniert ihn seit 1968 Tag für Tag, ohne Zweifel. Aber Hans wird älter und seine Bandscheiben auch, da kommt in ihm der Wunsch nach etwas mehr Komfort auf. Aber immer noch mit viel Sport, bitte schön! Da hat Mercedes doch… den 190 E 2.5 16V im Programm. Perfekt! Ein kräftiger Vierzylinder, dem Cosworth etwas unter die Arme gegriffen hat. Lackierung blauschwarz 199, etwas Sport-ChiChi und fertig ist die Laube. Rundstrecke, wir kommen!
Pellkartoffeln, Kaviar und Chorizo- der W201 hält für jeden Geschmack etwas bereit. Man muss nicht immer Buchhalter sein beim Kauf eines 190. Manchmal hilft es aber doch!