"Bürger"-Meister: Der C-Rekord hatte seine Hauptkundschaft in Kreisen konservativer Angestellter, die es geschafft hatten. 
Fotos: Oldtimerreporter.Müller


1966 in Deutschland. Das Wirtschaftswunder hat sich in Deutschland eingerichtet, Häuser werden fleißig aus dem Boden gestampft, die Italienreisen sind beinahe Allgemeingut. Die Automobilindustrie liefert die passenden Gefährte für den Trip ins Land der blühenden Zitronen. Immer mehr Bundesbürger können sich beide Träume auch verwirklichen, wenn auch mit Pfennigfuchserei. Welche Gefährte da zur Verfügung stehen? Nun, allen voran natürlich das vierrädrige Insekt aus Norddeutschland, das seit 20 Jahren vom Band rollt und rollt und rollt… Auch ein Bochumer Leichtmatrose kann den Siegeszug des Krabblers nicht aufhalten. Und eine Klasse höher?

Da sorgt seit 1965 ein Franzose mit fünf Türen und Schrägheck für einigen Wirbel. Sein Name ist schlicht – Renault 16. Aber seine Wirkung ist auch diesseits des Rheins umso beachtlicher. Konservative Kreise allerdings blicken mit Skepsis auf den „schrägen Franzosen“. Da gilt das Motto: Eine Limousine hat ein Stufenheck mit sich zu führen, basta. Und zwar ein solches mit dem Kofferraumvolumen einer Einzimmerwohnung, bitte schön.
Ein Neuling, der bürgertauglicher nicht sein könnte und diese Anforderungen perfekt erfüllt, ist der Opel Rekord C.  Das Designer-Team um Erhard Schnell schielt gerne mit beiden Augen über den großen Teich zur GM-Mutter. Dort findet man gerade die Coke-Bottle-Linie todschick, wie sie auch die 1965er Chevrolet Chevelle trägt. Ein kecker Hüftschwung in der Gürtellinie, leicht aufreizend. Aber bitte nur so viel, wie es des Bürgers Nerven vertragen.


Handwerkerglück: Besonders die zweitürige "Sparversion" taugte perfekt für den kostengünstigen, arbeitstäglichen Transport von Material und Werkzeug, war aber auch ein prima Urlaubsfrachter für die Italientour über die Alpen...wenn er denn nicht mit einem der "Motörchen" mit 58 (später 60 PS) oder 60 (später 66 PS) unterwegs war.
Es gab ihn auch mit verblechten Seitenscheiben im Heckbereich als Lieferwagen.


Schaut man den C (wie auch später den GT) von der Seite an, entdeckt man eine Ähnlichkeit zur Form des Koffeinbrause-Fläschleins aus good old America. Und was aus Amerika kommt, ist im Europa der 60er (noch) sehr angesagt. Eine wuchtige Form also, in der „L“-Ausstattung garniert mit allerlei Zierrat. Radzierringe! Radlaufchrom! Zierblenden am Schweller! Das letztere ein fröhlicher Rostherd sind, ist erst 7 Jahre später zu sehen. Beleuchtetes Handschuhfach! Kofferraum mit Licht! All diese kleinen Luxuspralinen bietet die L-Ausstattung. Die Basisausstattung, nun, sie fährt, lenkt und bremst.
Aber auch das genügt nicht wenigen als Aufstieg aus der Käfer-Klasse. Man ist durchaus wer mit einem Rekord C, die äußere Form dokumentiert das Gefühl des „Geschaffthabens“. Der talentierte C-Designer trägt also den Namen Erhard Schnell, sein Nachname lässt allerdings nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf die Rasanz des Rekord C zu. In der Regel geht es eher gemächlich zu in der Familienkutsche Rekord C, auch wenn mancher Familienvater wohl heimlich von der Rennkarriere träumt. Möglicherweise besonders dann, wenn er in der  1500er-Limousine mit zarten 58 PS Platz nimmt. Der kleinste der brandneuen CIH-Motoren lässt nicht mehr als 130 km/h zu, und das auch nur mit viel Anlauf. Im voll beladenen Caravan (auch 5-türig) werden dann Hügel zu Zugspitzen. Das todschicke Coupé bestückt Opel sinnigerweise nicht mit dem Sparmotor. Dort beginnt das hohe C bei 1700 cm³ und 75 PS. Der Handwerker im Caravan oder der sparsame Onkel Erwin in der Limousine begnügt sich derweil mit 1700cm³ und 60PS, obwohl beide auch den „S“-Motor ordern könnten.


Überwiegend als Coupé gebaut: der Rekord Sprint mit sportlichen 106 PS - quasi der Vorläufer des auf dem Rekord C basierenden Opel Commodore A, der dann in seiner stärksten Version GS/E bis zu 150 PS auf die Straße brachte. Und die Karosseriebaufirma Deutsch in Köln machte aus dem Coupé in Kleinserie ein Cabrio.


In allen Fällen schiebt sich der CIH-Motor mit dem schönsten Näseln der Welt eher behäbig voran. Das Seefahrts-Fahrwerk des Rekord C mit starrer Hinterachse und dotterweichen Schraubenfedern lässt das auch sinnvoll erscheinen. Er ist bequem zu seinen Insassen, und das ist die Hauptaufgabe des C. Erste Anflüge von Hochgeschwindigkeit lassen sich im 1900er mit 90 PS erkennen. Richtig heiß wird es in der „Sprint“-Ausgabe dieses Motors mit Doppelvergasern und 106 PS. Rekord C goes Rennstrecke heißt es da. Wenn er denn fährt und nicht wegen Vergaser-Malaisen mal wieder der Werkstatt einen Besuch abstattet.
Dieser Ruf ist sehr verkaufsschädigend, nur 1200 Sprint-Limousinen und -Coupés verlassen die Rüsselsheimer Bänder bis 1971. Immerhin etwa 10000 Exemplare entstehen vom Rekord C 2.2. Sechs Zylinder im Rekord, welch eine Erhebung! Onkel Erwin greift allerdings am allerliebsten zum 1700 N oder S, da weiß man auch, was man hat. Ein Hoch auf die Brauseflasche auf Rädern! Das sagt auch Onkel Erwin.