Britisch-kernig und optisch sehr gelungen kommt der TR4 auch und gerade zu seinem 60-sten Geburtstag daher - ganz im Gegensatz zu vielen aktuellen Autos. Fotos: Oldtimerreporter.Müller


Die englische Küche ist berühmt. Sie glänzt durch ausgefallene Kreationen, deren geschmackliche Besonderheiten Besucher aus anderen Erdenteilen leider nicht immer zu schätzen wissen. Da kredenzt man einen Haferbrei namens Porridge oder serviert Pommes frites mit Malzessig in Zeitungspapier. Oder eben gut gewürzte Fleischsorten, die durchaus munden. Ähnlich verhält es sich mit englischen Autos: Einen Morris Marina möchte man doch eher zur Kategorie Porridge zählen – einen Triumph TR4 hingegen zu den spicy beefs. TRIUMPH! Ein Name, der mit Kernigkeit unlösbar verbunden ist. Motoren, die dem Traktorenbau entspringen, Fahrwerke, die jede Unebenheit der Straße präzise rückmelden.

Eine Melange, die süchtig macht. So verhält es sich auch mit dem TR4. Rückblende ins Jahr 1961: Triumph präsentiert ein neues Modell, den TR4. Ein neues Modell? Nun, wir haben es mit konservativen Engländern zu tun, da fällt „neu“ etwas zurückhaltender aus. Die Triumph-Denker haben sich den TR3 vorgenommen und ihm eine veränderte Optik zukommen lassen.
Dabei kommt ihnen kein Geringerer als Giovanni Michelotti zur Hilfe. Wer u.a. den BMW 700 und den Maserati 3500 ansehnlich in Schale wirft, kann kein Dilettant sein - und darf sich dann auch später am TR5 und TR6 ausleben. Technisch gesehen bleibt der TR4 bei Bewährtem. Unter der Haube ein Eisenklotz, Verzeihung Motor, der auch einem Traktoristen ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert. 2138 cm³, 100 PS, Nockenwelle unten. Noch immer eine starke Ähnlichkeit zu dem Motor, der im Traktor Ferguson TE 20 verbaut ist. Hohe Drehzahlen? Müssen nicht sein. Viel Bums aus dem Drehzahlkeller? Sehr gerne. 174 km/h Vmax! Und das mit einem Kastenrahmen, Dreieckslenkern vorne sowie Starrachse mit Blattfedern hinten. Ein simples Konzept für eine garantierte Kernigkeit. Manche behaupten, auch für einen garantierten Bandscheibenvorfall. Immerhin, dem Komfort zuliebe spendiert man dem TR4 nun Kurbelfenster statt Steckfenster. Amazing!  


Siegeswillen vermittelt der Markenname. Zumindest bei den Fans britischer Automobilkunst gehört er zu den Gewinnern.


So gerüstet findet der TR4 knapp 69000 Käufer, besonders gerne jenseits des großen Teichs. Zu den Erstbesitzern eines TR4 kann Leser Horst Waitz nicht gehören, das ist seinem damaligen jungen Alter geschuldet. Wobei, englische Autos verfolgen ihn durchaus bereits in jungen Jahren. Mitschüler boxern im Käfer oder schnattern in der Ente umher, Horst Waitz wählt hingegen ein standesgemäßes Erstmobil: Einen Range Rover. Nun, wenn der Vater eines Schulfreundes den günstig anbietet, kann man doch nicht nein sagen, oder? Einen besseren Auftritt als mit dem Rover kann man vor der Turnhalle oder der Aula schließlich nicht liefern. Ob die Tankrechnungen des SUV-Vorläufers den Auftritt schmerzhaft machen, lässt sich nur vermuten. Aber was bedeutet schon die Ölkrise? Und wo ein Range Rover das Leben angenehmer macht, kann auch ein zweiter nicht schaden. Bitte sehr, Range Rover in grün, noch heute in den Waitz-Garagen zu finden. Was mit ihm geschehen wird? Die Antwort weiß der Wind, könnte man sagen. Projekte warten genug, ohne Zweifel.
Nach dem Range-Rover-Intro folgen noch ein paar gewöhnliche Mobile wie Ford 17m oder Käfer, aber das ist natürlich kein Dauerzustand. Nun soll es ein MG B werden, ein kerniger Sportwagen, der auch mit weniger propperem Geldbeutel erreichbar ist. Gesucht, gefunden.  Sie ahnen es… wo ein MG B die Garage beglückt, passt auch noch ein zweiter dazu. Der zweite MG allerdings wirkt bei näherer Betrachtung so, als sei er von einer Waffe gleichen Namens beschossen worden. Schnell ist klar, hier hilft nur noch eine rasche Trennung, bevor doch noch der unheimliche Restaurationsvirus zuschlägt… So mancher wird von diesem Virus befallen und landet bald auf der monetären und/oder mentalen Intensivstation. Das führt gelegentlich auch zu Ohnmachtsanfällen in der Familie, mitunter sehr nachhaltig.  


Gelungene Linie: Sie findet sich identisch beim TR5 und nahezu gleich beim TR6 wieder und gehört zu Michelottis Meisterwerken.


Zunächst steht im Hause Waitz auch ein anderes Restaurationsobjekt an: Ein Fachwerkhaus wartet darauf, mit kundigen Händen wieder zum Schmuckstück zu werden. Man kann sagen, es ist gelungen! Haus gebaut, Familie gegründet, jetzt kann, jetzt MUSS noch ein weiterer Oldie her. Die Kriterien sind klar: Englisch, kernig, mit Bums unter der Haube. Nein, der Morris Marina scheidet da immer noch aus. Ein TR 250 soll es werden. Also die (vermeintlich unkompliziertere) US-Ausgabe des TR5-Erdbebens auf Rädern. Mit Vergasern statt Einspritzung ausgerüstet, produziert er noch immer urgewaltige 105 PS (statt 143 beim TR5/TR6-PI) bei 2500cm³. Soweit die nüchterne Ansage.
In der Praxis heißt das, ein sechszylindriges Beben plus einen Schub, der die Gesichtszüge auf Dauergrinsen fixiert. Ungefilterter Fahrbahnkontakt inklusive. Wer heute ein solches Vergaser-Tier sein eigen nennen möchte, muss sich in den Staaten umsehen oder unter den wenigen Re-Importen. Horst Waitz sucht intensiv nach einem TR250, ein wirklich brauchbares Angebot zu FAIREN Tarifen ist aber nicht zu finden.
Was also nun? Ein Vergaser- TR4 ist deutlich leichter zu finden, das steht fest. Also dann, einen TR4, aber nur einen solchen mit Starrachse hinten. Die ab 1965 offerierte IRS-Version mit hinterer Einzelradaufhängung? Nein, danke. Was an einer Achse nicht dran ist, kann auch nicht ausfallen. Und außerdem, der Fahrspaß in Kurven mit einer brettharten Achse… unersetzlich! Ach ja, noch etwas: Eine Totalrestauration soll es nicht werden. Zwar sind Garage und Hebebühne vorhanden, aber manchmal hat man es doch gerne etwas einfacher – auch unter leidensfähigen Oldiefans.
Bald findet sich in den Suchportalen des WWW ein passendes Händlerangebot. TR4 Starrachse, Baujahr 1962, im wunderschönen powder-blue lackiert und im Großen und Ganzen in Ordnung. Zumindest auf den ersten Blick. Die heimische Garage offenbart den technischen Nachholbedarf des TR4. Eine Kupplung, die nicht kuppelt, ist nicht wirklich zielführend, ebenso wie eine altersschwache Lichtmaschine. Das 5-Gang-Getriebe aus einem - pssst - modernen Ford hilft, die Drehzahlen motorschonend zu gestalten. Eine nachgerüstete moderne Zündanlage sorgt für entspanntes Fahren ebenso wie ein zusätzlicher elektrischer Lüfter. Hitzeprobleme mit dem TR4? Ein unbekanntes Phänomen im Hause Waitz. Zahlreiche Urlaubsreisen ohne jegliche Panne belegen die Standfestigkeit des „Traktoren“-Motors im TR4. Natürlich bedarf es der ständigen Pflege, aber das versteht sich bei den geliebten Oldies ja ohnehin. Bei Horst Waitz kommt ein kräftiger Schuss Hingabe dazu. Selbst angefertigte Stützen mit integrierten Silentblöcken für den Kühler, die sich ansonsten gerne einmal den Vibrationen geschlagen geben müssen? Kein Problem. Eine eigens produzierte Sonnenblende aus getöntem Plexiglas? Mit links. Eine Reling auf dem Kofferraum zur Befestigung eines Drachens? Of course!  Ach ja, und so nebenbei erhält der Garagenkollege MG B auch noch neue Kotflügel. Der TR4 scharrt derweil ungeduldig mit den Speichenrädern. Italien kann kommen, Peperoni statt Porridge. God save the cubic inches!