Renault 9, Sondermodell Louisiane. Gabs auch als Diesel – was nicht zu überhören ist.
Fotos: Oldtimerreporter.Müller


… Sie werden es kaum glauben, liebe Leser, meistens handeln die Redakteure des Franzosenblechs sehr vernünftig. Sie zahlen Steuern, pflegen Rosen, kümmern sich um Haus, Hof und Hund(e). Sogar um ihren Fuhrpark kümmern sie sich liebevoll, auch wenn das nicht immer leichtfällt. Niemals würden die Schreiber unvernünftige Dinge tun, wie etwa ungesehen einen Oldtimer kaufen. Schon gar nicht aus dem berühmten Auktionshaus mit den berühmten vier Buchstaben. Niemals! Na ja, fast niemals… nur so manchmal ganz ausnahmsweise… was soll man denn auch machen, wenn das Oldtimer-Angebot so verlockend ist? Widerstehen? Wie geht das? Eben. Sie meinen, ich suche nach Ausreden? Nein, nicht doch, wie käme ich dazu! Der Oldtimer ist schuldig, ganz eindeutig. Jede Moralpolizei bestätigt das. Wie der Oldtimer den Schreiber um den Finger gewickelt hat? Nun, das möchte ich hier genau berichten:

Der Oldtimervirus befällt den Wortkünstler schon vor Urzeiten, als die heutigen Oldtimer noch Neuwagen waren (woran man sein wahres Alter ermessen kann). Es schwelt also lange in der befallenen Seele. Verschiedene Umstände und Ausreden lassen den Kauf eines Oldtimers aber ebenso lange nicht wirklich werden. Den unbewussten Seelenschmerz kann seit einiger Zeit das Schreiben über Oldtimer zumindest zur Hälfte trösten. Ein berühmter Kölner Fußballkicker errechnet da fehlende 60%, die können nur durch den Besitz eines Oldtimers aufgefüllt werden. Eindeutig. Vor dem Kauf eines Oldies gilt für den Autor: Das kommende Altertümchen benötigt einen angemessenen Unterstand, auf das nicht ein Regentröpfchen oder ein zufällig entlang des Bleches schrammender Autoschlüssel ihm ein Leid zufügen kann. Nun haben Autounterkünfte auch in der Provinz nicht mehr immer die Angewohnheit, preisgünstig und/oder in erreichbarer Nähe zu sein. Deswegen dauert die Suche etwas länger. Schließlich findet sich eine Unterkunft bei einer Oldiefanin, die ihren Rolls-Royce dort nicht unterstellen kann… Warum auch immer. Garage gechartert, Mietkosten da, jetzt muss auch ganz schnell ein Oldie her. Kein Problem, denkt sich der Redakteur, im weltweiten Netz finden sich doch Tausende wunderbare Oldies. Vor dem Oldie-Kauf gilt selbstverständlich noch eine andere eiserne Regel: Verstand einschalten!Mit dieser Regel im Hinterstübchen begibt sich der Schreiberling in die Tiefen des Netzes.


Müllers Sonder-R9 hört natürlich auf den Namen Luise. Was sonst?


Die Zielvorgabe ist sensationell klar: Ein Oldie bis spätestens Baujahr 1990, gerne Franzose, am liebsten Renault. Offenheit für alles ist der Welten Tugend, sagt der Affe und beißt in die Seife. Man kann ja mal überall hineinschauen, denkt sich der Autor. Hui, das sind aber viele interessante Sachen hier, leichte Überforderung macht sich breit. Kurze Kaffeepause, weiter geht´s im amerikanischen Auktionshaus. Nur schauen, kaufen werde ich da sicher nichts, schon gar nicht ungesehen. Nieeeee! Hm, da ist doch… ein Renault 9 Sondermodell Louisiane, sehr interessant! Elektrische Fensterheber, ZV, Schiebedach, Metallic-Lackierung, ganz fein! Oh, es ist ein Diesel. Na ja, der frisst einem dann zumindest nicht die Haare vom Kopf. Blumige Beschreibung des Verkäufers: Rostfrei, gepflegt, Zahnriemen und Bremsen neu, ebenso TüV und H-Gutachten. Aus langjährigem Familienbesitz und nur sehr schweren Herzens abzugeben! Ja, diese armen Verkäufer können einem schon leidtun, sie müssen sich unter spürbaren Schmerzen vom Familiengold trennen. Da muss doch geholfen werden, nicht wahr? Kurzer Check der Entfernung zum Verkaufsort: 350 km einfach. Je nun, eine Besichtigung ist hier unmöglich. Man stelle sich vor, hin und zurück 700 km und für schlecht befunden – das geht nicht. Dann lieber mal ganz unverbindlich mitbieten. Sind ja noch fünf Stunden Zeit, sicher überbietet das noch jemand. Drei Stunden später… „Sie sind noch Höchstbietender“. Fünf Minuten vor Auktionsende: The same procedure… 3,2,1, seins!
Ein kurzes Gefühl der Ohnmacht befällt den Schreiberling. Was hat er getan??? Und was hat der Oldie da getan? Erschreckend langsam dämmert die Freude darüber, jetzt Oldie-Besitzer zu sein. Renault 9 DIESEL!, hallt es in des Schreibers Kopf. Was bleibt zu tun? Papiere schicken lassen, Fahrzeug anmelden, an einem hellen Samstag fünf Stunden mit der Bahn in die Provinz reisen und das Schätzchen abholen. Ankunft am Zielort, Betrachtung des OldiesWie heißt es noch in der Verkaufsanzeige? Gepflegter Zustand? Der Innenraum des Renault schreit nach einem Staubsauger, etwas körniger Fußboden hier.


Auf dem Armaturenbrett eine Musikkassette mit Bandsalat, der offensichtlich seit langen Jahren unberührt ist.


Der Autor erfährt, dass ein Verwandter den Wagen vor längerer Zeit ein Jahr gefahren ist – seither sieht der alte Renault nur die Garage um ihn herum. Immerhin, der TüV ist tatsächlich frisch. Der Motor startet nach zehn Sekunden Vorglühen ohne Murren, aber mit heftigem Nageln. ICH BIN EIN ALTER DIESEL! NIMM RÜCKSICHT!, ist wohl seine Botschaft. Der Autor bemüht sich darum, die Botschaft zu verstehen. Nicht ganz einfach bei gefühlten 95 Dezibel… Autositze wie ein altes Sofa. Aber sehr bequem!
Kennzeichen ran, los geht die Fahrt zur nächsten Tankstelle. Die Tankanzeige gaukelt Stand null vor, eine französische Elektrik-Nonchalance, wie sich etwas später herausstellt. Ein Klopfen auf die Anzeige bringt den wahren Stand hervor. So einfach geht das, n´est pas? Aussteigen an der Tankstelle, Begegnung mit einem älteren Herren. Freudiger Ausruf: „DAS ist ein Oldtimer, der fällt bei den ganzen runden Eiern von heute sofort auf!“ Inneres und äußeres Grinsen des Schreibers. Das Grinsen weicht kurzzeitig einem Rätseln. Die ZV schließt immer nur DREI Türen. Was jetzt? Wird der Oldie 30 Minuten nach dem Kauf nach Langfingerhausen entführt? Simple Lösung: Die widerspenstige Fahrertür wird mit der Hand verriegelt. Hintere Tür auf, Knöpfchen der Fahrertür nach unten drücken, hintere Tür zu, ZV betätigen. Wie das für die Umstehenden aussieht? Seltsam vermutlich, aber da steht der wahre Oldie-Besitzer drüber. DIESEL tanken, zahlen, weiter geht die Fahrt. Das Fahrwerk des R9 solidarisiert sich mit den Sitzen. Dämpferstufe „sehr weich“. Aber auch sehr bequem! Der Diesel nagelt fröhlich vor sich hin, was das Tempo beinahe automatisch auf max. 100 km/h beschränkt. Warum rasen die alle so? Der Schreiberling verliebt sich immer mehr in den kleinen Renault mit seinem silbernen Metallic-Lack. Das Schiebedach öffnet sich nicht und der Aschenbecher ist voller Kippen? Was kümmert das einen großen Geist! Ach, es ist herrlich, manchmal unvernünftig zu sein. Herrlich und eigentlich ganz einfach. Probieren Sie es aus, es lohnt sich! Hoch leben die alten Diesel-Motoren, die Sofa-Sitze – und die Auktionshäuser!


Viele kennen dieses Sondermodell zweifarbig. Aber auch einfarbig ist original.