1965-er LS 911 Sattelzugmaschine mit Ackermann Pritschenauflieger.
Fotos: Hersteller


Ein üppiger Vorbau mag Sängerinnen zweifelhafter Güte zu Auftritten verhelfen, nicht aber dem Absatz von Lastwagen. Denn da zählte jeder Zentimeter Ladefläche, was Mercedes-Benz dazu brachte, 1959 die so genannten Kurzhauber mit reduziertem Vorderwagen einzuführen. Mercedes-Benz besann sich 1959 mit der völlig neuen Lastwagen-Generation auf die goldene Mitte: Die klassischen Lkw mit langer Motorhaube und freistehenden Kotflügeln wurden nicht auf einen Schlag durch Frontlenker mit komplett unter dem Fahrerhaus liegendem Motor abgelöst, sondern durch die so genannten „Kurzhauber“. Dabei rückte der Motor nur ein Stück unter die Kabine, und die Fahrzeugfront zeichnete eine kurze, runde Haube aus. Gestalterisch orientierte sich der Kurzhauber mit integrierten Scheinwerfern und Kotflügeln deutlich an den Stuttgarter Ponton-Limousinen.

Die Frontlenker punkteten durch geringe Gesamtlänge und hohe Wendigkeit gegenüber den Haubern mit gleicher Nutzfläche und Nutzlast.


Mercedes-Werbung mit Schörling-Kehrmaschine aus dem Jahr 1966.


Allerdings war die Geräusch- und Wärmentwicklung in der nicht kippbaren Kabine durch den Motor darunter hoch, dessen Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten schlecht. Weiterhin ließ die Akzeptanz der Kapitäne der Landstraße zu wünschen übrig, die den Vorderwagen als Knautschzone missten.
Da kam die Kurzhauber-Bauweise als gelungener Kompromiss: Der 1961 vorgestellte Kurzhauber L 328 schlug einen 2,4 m kleineren Wendekreis als der vergleichbare Langhauber L 312, hatte aber wie dieser Platz für einen dritten Sitz zwischen Fahrer und Beifahrer. Gleichzeitig strahlten weniger Lärm und Hitze in der Kabine als beim Frontlenker LP 328/LP 911, zudem war der Motor zum Warten gut erreichbar. Der Presse wurden die Kurzhauber am 5. März 1959 in Stuttgart mit den Typen L 322, L 327 und L 337 präsentiert. L 322 und L 327 zählten zur mittelschweren Klasse und wurden im Werk Mannheim produziert. Der L 337 der schweren Klasse mit rund 300 mm längerer Haube lief im Werk Gaggenau vom Band. Triebfeder hinter all dem waren die umgangssprachlich nach dem Bundesverkehrsminister benannten „Seebohm’schen Gesetze“. Diese reduzierten ab dem 1. Januar 1958 drastisch die Gesamtlänge neu zugelassener Lastwagen und Anhänger von 20 auf 13 Meter für Sattelzüge und auf 14 Meter für Lastzüge sowie das zulässige Gesamtgewicht von 40 auf maximal 24 Tonnen.
Die besternten Kurzhauber hatten mit diesen widrigen Rahmenbedingungen keine Probleme. Es gab sie als Pritschenwagen, Kipper, Fahrgestell und Sattelzugmaschine sowie mit Allradantrieb. Außerdem stimmten die Zahlen: So wurden von 1959 bis 1969 über 60.000 Kurzhauber-Lastwagen (L) und Kurzhauber mit Allradantrieb (LA) gebaut, aber weniger als 16.000 Frontlenker LP und LAP. Insgesamt entstanden bis Ende der 1990er-Jahre zusammen fast eine Million mittelschwerer und den schwerer Kurzhauber. Zu mehr als 650.000 Komplettfahrzeugen und Fahrgestelle gesellten sich rund 300.000 Teilesätze für die Montage im Ausland. Allein 226.930 Bausätze des L 1210 – nach Neuordnung der Typenbezeichnungen 1963 steht das für 12 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und 100 PS Leistung – gingen von 1964 bis 1979 nach Indien.


Martialisch: Kaltstart mit Schlüssel-Dorn (Links unten einstecken), Vorglühen bis die Kontrollwendel (unten rechts) rot glüht, dann Gaspedal leicht drücken und Startpilotpumpe (links oben) betätigen, Starter drücken! Uff!


Im Laufe der langen Bauzeit hielt Mercedes-Benz die Kurzhauber frisch, führte ab 1963 die Dreiachser der schweren Klasse, die Diesel-Direkteinspritzung ab 1964 und ein geräumigeres Fahrerhaus ab 1967. In die Kurzhauber-Epoche fiel auch die Neuorganisation der Nutzfahrzeugproduktion von Mercedes-Benz, die ab 1965 nach und nach ins neue Werk Wörth verlegt wurde. Fortan liefen die schweren und mittelschweren Kurzhauber an einem Standort für die Kunden in aller Welt vom Band. Auch heute noch sind die Kurzhauber in Asien und Afrika im Einsatz, was ihre Güte wohl am nachhaltigsten unterstreicht. Hierzulande fristen sie nicht selten ein Dasein auf Wagenplätzen oder dienen als Basis für Expeditionsmobile.

 

 

 




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